Wir waren überglücklich, als wir die kleine Ferienwohnung auf dem Gestüt endlich mieten konnten. Etwas heruntergekommen, wie es sich gehört für ein paar Jahrhunderte altes Bauernhaus, inmitten von Tennen, Ställen, einer Reithalle und Koppeln auf 17 hügeligen Hektar. Darauf ein Dutzend Galloway-Kühe, die immer so grimmig dreinschauen, als würden sie gleich zur Attacke blasen, und rund 40 Pferde. Und Katzen, die sich ihre Reviere aufgeteilt hatten.
Unsere Wohnung gehörte zu Monas Revier, einer eleganten Silbergrauen, die wir gleich am ersten Tag kennengelernt hatten. Sie war freundlich, aber wir hatten wenig Kontakt. Ab und zu sahen wir sie im Gras oder auf dem Weg vor dem Garten gelangweilt und nonchalant flanieren, wie es Katzen so wunderbar können, dann riefen wir sie. Sie schaute kurz auf, oder auch nicht, und ging ihres Weges.
Eines Tages war sie verschwunden. Warum? Einige sagten, der Fuchs! sei gesichtet worden, der für die unerklärlichen Dinge auf dem Lande ja immer wieder herhalten muss. Andere brachten weitere Erklärungen hervor, aber genau wusste es am Ende niemand.
Wie dem auch sei, Mona war weg, und ihr Revier war frei.
Ein paar Tage später sahen wir eine schüchterne Nasenspitze und ein paar neugierige Ohren am großen Tor der Tenne, die direkt an unseren Garten anschließt, und wir erkannten Susi, die eigentlich hinter den Boxen in der Reithalle wohnte. Sie war zum ersten Mal den langen Weg gekommen: Die Neuigkeiten eines freien Reviers haben sich wohl auch bis dorthin herumgesprochen.
Susi hat ein hübsche schwarz-braune Tigerzeichnung, kleine weiße Söckchen, eine weiße Schnute und ein weißes Lätzchen und ist ausgesprochen verschmust. Wir kannten sie schon ziemlich lange. Sie hatte uns in der Reithalle gleich in den ersten Tagen sehr überschwänglich begrüßt, meist mit nachhaltigem Schnurren. Wir hatten uns eingeredet, dass sie uns beide ganz besonders in ihr Herz geschlossen hat, wurden aber bitter enttäuscht, als wir feststellten, dass sie völlig unbekümmert zu wildfremden Besuchern der Reithalle schlenderte und auch von ihnen Streicheleinheiten einforderte. Und Besucher gab es wirklich viele auf dem Gestüt.
In Monas früherem Revier war Susi weit vorsichtiger: Wer weiß schon, welche Gefahren hier, in der fremden Umgebung, nicht weit vom Waldesrand, noch lauern konnten. Wir riefen sie, im festen Glauben, sie würde sich uns anschließen, aber sie ignorierte uns, stets auf der Hut. Sie kam nicht einmal in den Garten, sondern blieb auf dem Weg davor, immer bereit, Zuflucht in der sicheren Tenne zu suchen.
So ging es einige Tage, bis wir uns irgendwann mit langsamen Schritten und, wie wir meinten, einlullenden Rufen in ihre Richtung bewegten. Und siehe da, es funktionierte: Sie lief nicht weg und ließ sich sogar streicheln – gnädig zwar, fast widerwillig und schnurrlos, aber für uns war es ein großer Triumph!
Und dann ging alles sehr schnell. Fortan war sie täglich in der Nähe, sie schien jetzt genauso unbekümmert zu sein wie in der Reithalle, schlenderte unschuldig, aber irgendwie erwartungsvoll vor dem Garten umher und kam zielstrebig zu uns, wenn wir sie vor der Treppe aus riefen – mit ihrem eleganten, fast schwerelosen Trabschritt. Dann genoss sie unsere Streicheleinheiten und fing auch schnell an zu schnurren. Das war für uns die größte Belohnung. Später, wenn wir uns besser kennen sollten und sie wusste, dass sie uns grenzenlos vertrauen konnte, ließ sie sich jedesmal, wenn sie im Garten war, mit einem Plumps zur Seite fallen, streckte sich auf dem Rücken liegend genüsslich in die Länge, und ihr Blick sagte uns, eher fordernd als bittend: „Bauch streicheln!“. Uns bliebt nichts anderes übrig, als sie zu streicheln, und sie genoss es. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Susi hatte bis dahin keine direkte Bezugsperson. Sie war halt eine der Katzen auf dem Gestüt, die man mit Trockenfutter versorgte, ansonsten aber ignorierte. Man ging davon aus, dass sie ihren Job, nämlich Mäuse fangen, gut machte, und damit war die Sache für die Gestütsbewohner erledigt. Wir hatten uns eingeredet, dass Susi mit dieser Situation zwar zurecht kam – was sollte sich auch anders machen –, insgeheim aber doch Anschluss suchte: nach 15 Sommern mit sengender Hitze, 15 Wintern mit bitterer Kälte und vielleicht auch 15 Jahren Einsamkeit könnte eine Menschenfamilie ja doch einige Vorteile haben. Uns wahrscheinlich beschloss sie so, uns zu adoptieren.
Ein paar Tage nach den ersten zaghaften Kontakten kann sie die Treppe hoch, zögerte noch, in die Wohnung zu kommen, aber dann trabte sie täglich zielstrebig in die Küche Richtung Fressnapf. Ziemlich schnell auserkorte sie sich mehrere Lieblingsplätze in der großen Wohnküche: einen auf dem Teppich, zwei auf dem Sofa, und als das Wetter im Oktober kühler wurde, verweilte sie dort immer öfter bis zum Abend. Eines Tages blieb sie länger als sonst auf der linken Sofaseite liegen und beschloss, wir wissen nicht, ob aus Bequemlichkeit oder Kalkül, dort auch zu übernachten. Mit dieser Premiere war die Beziehung zur Menschenfamilie aus ihrer Sicht jedenfalls entschieden. Wir hatten nichts dagegen und waren überglücklich: Wir hatten eine Katze!
Als Kind liebte ich meine Katzen über alles, und auch, als ich in die Großstadt umzog, waren Katzen ein paar Jahre lang meine steten Begleiter. Dann irgendwann, nachdem meine letzte Katze verschwunden war – das ist eine lange Geschichte für einen anderen Tag –, widmete ich mich den Erwachsenen-Aufgaben und meiner Karriere: viele Reisen, lange Abwesenheiten, wachsendes Business. Viel Ablenkung, und Katzen hatten in meinem Leben fortan keinen Platz mehr.
Susi hat schlagartig alles verändert. Sie ist das liebste Lebewesen, das ich kenne, neugierig, unabhängig, immer freundlich, anhänglich, einfühlsam, dankbar. Eine symbiotische Beziehung zu einer Katze, geht das überhaupt?
Ich frage mich, wie ich drei Jahrzehnte meines selbstbestimmten Erwachsenenlebens ohne Katze verbringen konnte. Rückblickend empfinde ich, dass es ein großes Versäumnis war, aber es ist müßig, über vergangene Tage zu grübeln. Der Stadt habe ich fast vollständig den Rücken gekehrt, so oft es geht, verbringe ich jetzt die Tage auf dem Gestüt und genieße mein Leben in vollen Zügen mit Susi.
Alain Blaes
Susi sieht fast so aus wie mein Bärli, der 19 Jahre (in den letzten sechs Jahren blind) bei mir gelebt hat. Ja, man kann so ein Leben gemeinsam mit seiner Katze oder seinem Kater führen. Er wurde mir von einem Ziegenbauern mit vier Wochen geschenkt, weil seine Mutter nicht wiederkanm, und hat uns 19 Jahre auf unseren Reisen im Auto begleitet, ging an der Leine überall mit hin. Pilze sammeln oder am Strand spazieren. Er schlief neben mir am Kopfende und schnurrte mich in den Schlaf. Er wärmte mich unter der Bettdecke wenn ich krank war. Obwohl er nun schon so viele Jahre nicht mehr lebt, ist er unvergessen und wartet mit meinem Ehemann und meinen anderen Katzen in der Ewigkeitswelt auf mich.
Ingrid mit Amira, Luna, Tobias und Lakritze
Katzen sind wunderbare Wesen! Ich empfinde jeden Tag mehrfach die tiefe Liebe zu meinem Rosinchen … und bin sehr dankbar, dass er mein Leben beglückt.
[…] Susi hat Alain hier vor ungefähr einem Jahr schon geschrieben. Damals lebte die hübsche kleine Katze […]