Der unfreiwillige (?) Katzenausflug

Wie es ist, wenn ein roter Kater einen Ausflug macht.

Es ist nun über drei Wochen her. Ich saß am späten Abend auf dem Sofa, als Rosso durch die offene Terrassentür verschwand – Ausflug aufs Dach! Als er sich eine geschlagene Stunde nicht blicken ließ, stand ich auf und schaute aufs Dach. Kein Rosso zu sehen. Ich nahm die Taschenlampe und ging nach unten, um auf die andere Dachseite zu schauen. Der Schein der Lampe leuchtete die gesamte Dachhälfte ab – kein Rosso zu entdecken!

Ich wieder nach oben. Ich piff, schüttelte die Dose mit seinem Katzenfutter. Nichts! Ich untersuchte Zimmer für Zimmer. Nichts. Ich schaute unters Bett und in alle Ecken. Kein Rosso zu sehen! Da stimmte was nicht. Ich pfiff nochmals, schaute nochmal aufs Dach. Rosso ließ sich nicht blicken! Ich hatte ja immer schon befürchtet, dass er eines Tages am Beginn der Katzenleiter nicht nur hockenbleiben, sondern sie auch benutzen würde.

Also, Rosso war weg! So gegen Mitternacht ging ich nach unten und pfiff nach ihm. Keine Reaktion. Dafür kam nach einer Weile meine Nachbarin, die selbst eine Katze hat, und wollte wissen, nach wem ich suche. Denn sie kennt meinen Pfiff natürlich. Gemeinsam gingen wir die kleine Straße auf und ab, und ich pfiff. Keine Reaktion! Plötzlich sagte meine Nachbarin, sie hätte Rosso auf der Treppe gesehen. Ich vermutete, sie hätte Moritz gesehen, denn Lieschen und Moritz waren mittlerweile natürlich aufgetaucht – bei meinem vielen Pfeifen. Doch meine Nachbarin war der festen Meinung, sie habe Rosso gesehen.

Und nach einer halben Stunde sah ich ihn dann auch. Munter tippelte er die Straße auf und ab, und als Moritz auf ihn zukam, rannten beide hintereinander her. Ich versuchte natürlich, Rosso einzufangen, aber der Racker war viel zu schnell und schlug einen Haken nach dem anderen. Schließlich verschwand er durch den Jägerzaun im Nachbargarten und ward nicht mehr gesehen.

Um eins endlich ging ich schlafen und hoffte, der Ausreißer würde nach seinem Ausflug die Katzenleiter nehmen und nach Hause kommen.

Am nächsten Morgen lag zwar Lieschen in meinem Bett, von Rosso aber keine Spur! Ich ging nach unten und pfiff. Nichts! So ging es den ganzen Tag: immer wieder lief ich ums Haus rum und pfiff. Keine Reaktion. Ich lief das ganze Karree ab, pfiff, nichts! Ich machte Aushänge mit Foto von Rosso und meiner Adresse und Telefonnummer, und meine Nachbarin half mir, sie überall im Dorf zu verteilen.

Zwischendurch lief ich immer wieder ums Haus, weil ich vermutete, dass der kleine superängstliche und sehr menschenscheue Kater irgendwo unter einem Busch hockte und sich nicht hervortraute. Ich pfiff und pfiff – keine Reaktion! Ich fühlte mich beschissen und hatte sehr große Angst um meinen kleinen, roten Racker.

Abends um elf uhr ging ich wieder runter. Mittlerweile war es stockdunkel, und die kleine Straße war nur von Straßenlaternen beleuchtet. Ich pfiff, und sofort standen Moritz und Lieschen auf der Matte. Von Rosso immer noch keine Spur. Doch plötzlich hörte ich ein leises Miauen! Dieser Ton war mir bestens bekannt, denn Rosso hat – wie die meisten Katzen – eine ganz individuelle Stimme. Ich pfiff wieder, wieder hörte ich das Miauen – und dann kam doch tatsächlich Rosso angetippelt. Aus dem westlichen Nachbargarten. Er legte sich auf den Rücken, hielt mir sein Bäuchlein hin – und ließ sich einfangen!!!

Ich trug den Racker nach oben, wo er – sichtlich erleichtert – mitten im Wohnzimmer auf dem Fußboden Platz nahm.

Nun war es spannend. Würde er wieder zur Katzenleiter tippeln und runtergehen? Ich war gespannt wie ein Regenschirm. Nein, er ging nicht zur Katzenleiter!

Als ich dann schlafen ging, überlegte ich, ob ich Terrassentür und Katzenklappe verschließen sollte. Ich war schon versucht, das zu machen, als ich dachte, dass das keinen Sinn hätte. Wenn er runter wollte, würde er das früher oder später machen. Da würde es auch nichts nützen, ihn für ein paar Stunden einzusperren. Also ließ ich die Tür offen.

Mitten in der Nacht wachte ich auf, und mein erster Blick galt natürlich dem Platz, wo Rosso normalerweise liegt. Und: Er lag da. Eingeringelt wie immer, wenn er schläft.

Am nächsten Tag kamen dann Moritz und Lieschen. Sie futterten – und tippelten dann übers Dach in Richtung Katzenleiter. Jetzt wurde es spannend! Was würde Rosso machen? Würde er ihnen hinterher laufen? Nein, er hockte unter der Birke und schaute ihnen zwar hinterher, machte aber keine Anstalten, ihnen nach und die Katzenleiter runterzulaufen.

Das Ganze ist nun über drei Wochen her und Rosso hat nicht ein einziges Mal auch nur ansatzweise versucht, die Katzenleiter runterzugehen. Er rennt Moritz und Lieschen zwar ab und zu hinterher, bleibt aber auf halbem Weg stehen und kommt wieder zurück – zu seinem Lieblingsplatz unter der Birke. Von dort kann er die beiden beobachten – wie sie die Auffahrt entlang tippeln und im Nachbargarten verschwinden.

katzenausflug

Wie der Racker seinerzeit vom Dach runtergekommen ist? Ãœber die Katzenleiter bestimmt nicht! Möglicherweise ist er auf der Nachbarterrasse rumgetippelt, dann in der Nachbarwohnung gelandet, und der Nachbar hat ihn kurzerhand vor die Tür gesetzt. Aber das sind nur Vermutungen! Möglicherweise ist er auch vom Dach gefallen. Aber auch das ist nur eine Vermutung. Nur eines steht fest: Rosso war unten! Und zwar genau 25 Stunden lang …

Jetzt ist er wieder oben, und ich hoffe, das bleibt auch so. Denn neulich war ein Freund zu Besuch, und mein roter Racker hockte fünf Stunden lang wieder unterm Bett. Er hat so große Angst vor Menschen und Geräuschen, dass ein Ausflug für ihn gefährlich wäre, weil er sich in seiner Angst irgendwo verkriecht. In der Wohnung ist er geborgen! Er kann auf Terrasse und Balkon rumrennen, rumschnuppern, Gras fressen, mit Pflanzenblättern spielen, sich an der Birke die Krallen wetzen. Ab und zu bringt Moritz auch eine Maus – für ihn? Mit der spielt Rosso dann eine Weile, so lange, bis ich sie ihm weg nehme und in den Garten bringe – falls sie nicht vorher am Herzinfarkt gestorben ist.

Er hat ein gutes und behütetes Leben in der Wohnung. Wir schmusen und spielen viel miteinander, und ich hoffe, dass er nie wieder den Weg nach unten findet. Freiwillig oder unfreiwillig …

P.S.: Nach über fünf Wochen. Er ist immer noch nicht die Katzenleiter runter – und ich würde zu gern wissen, wie er Ende Juli nach unten gelangt ist. Ich habe ja so meinen Verdacht …

3 Kommentare

  1. Das ist ja eine tolle Geschichte um das Verschwinden von dem kleinen
    Racker Rosso.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass du total aufgelöst warst, dass Rosso
    nicht nach Hause gekommen ist.
    Leider können uns die Miezen ihre Erlebnisse nicht erzählen, das würde
    ich mir manchmal wünschen!!!
    Für deine Nerven hoffe ich, dass Rosso keine Ausflüge mehr unternimmt
    und schön in Reichweite deiner Wohnung bleibt.

    Liebe Grüße von
    Elke

  2. Kenne ich nur zu gut, das Gefühl. Mir fielen zwei Kilo Steine vom Herzen, als der kleine Jeanie nach drei Tagen Abwesenheit endlich wieder nach Hause kam. Normalerweise sehen wir ihn mehrmals täglich und geschlafen wird auch fast immer zu Hause.
    Schön, dass ihr euch wieder gefunden habt, ihr beiden.

  3. Huhu Renate, na dass dir da das Herz in die Bürxs gerutscht ist, können wir gut verstehen. Katz sei dank ist er wiederaufgetaucht. Er ist wohl doch nicht freiwillig unten gewesen, sonst wäre er mit MoLie mitgepfotelt. *überzeugtsind*
    Schnurrer Engel und Teufel

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