OP um Mitternacht

Gestern um Mitternacht musste Moritz eine kleine Operation über sich ergehen lassen. Aber vorn vorn …

Seit Tagen habe ich den Eindruck, dass Moritz „reduziert“ ist, unabhängig von seinem wunderbar geheilten Bein. Vorgestern habe ich ihn entdeckt auf dem Rindenmulch neben dem Haus.

rinden

Dort lag er stundenlang. Wenn ich ihn besuchte, schaute er immer so merkwürdig in eine Richtung, er stierte mehr als er schaute. Dabei reckte er den Kopf vor, zwischendurch schluckte er. Irgendwas stimmte nicht, aber was? Gestern dann lag er den ganzen Tag in Lilis Karton und schlief.
karton

Ich schob dieses Verhalten auch auf den Dauerregen. Doch in mir grummelte es ungut …

Abends machte er dann einen mehrstündigen Ausflug, und so gegen zehn kam er heim – mit einer Maus. Die hat er gefuttert und ist danach nicht wie sonst wieder abgehauen, sondern hat sich auf meinen Schoß gelegt. Ich saß auf dem Sofa und schaute fern. Und dabei konnte ich ihn nun ausgiebig aus nächster Nähe beobachten. Irgendwas war anders mit ihm. Er reckte seinen Kopf wieder so merkwürdig nach vorn und zwischendurch schluckte er. Dauernd! Ich öffnete mit sanfter Gewalt sein Mäulchen, konnte aber nichts entdecken. Doch irgendwas war trotzdem! Plötzlich stand er auf, rannte unter den Wohnzimmertisch und keuchte. Mir wurde Angst und Bange. Mittlerweile war es elf Uhr. Aber ich fühlte mich schlecht und traute mich doch tatsächlich, um diese späte Uhrzeit den neuen Tierarzt anzurufen, der vor Wochen gesagt hatte, wenn es Probleme gäbe, dürfe ich rund um die Uhr anrufen. Michael Rattenhuber, 38 Jahre jung (wie ich später erfahren habe). Seine Frau war am Apparat. Ich entschuldige mich ausdrücklich für die späte Störung und fragte nach ihrem Mann. Der käme in einer Viertelstunde.

Ich sagte ihr, dass ich sicher bin, dass irgendein Fremdkörper in Moritz‘ Rachen steckt, ob ich in die Praxis kommen könne. „Selbstverständlich“ meinte Frau Rattenhuber freundlich, es handle sich schließlich um einen Notfall.

Ich packte meinen Schwarzbär in den Korb und fuhr nach Dießen. Unterwegs wieder Dauerkonzert!

Auf dem Untersuchungstisch schaute der Tierarzt in Moritz‘ Mäulchen, konnte aber auch nichts entdecken. Dann drückte er gezielt an Moritz‘ Hals herum … und Moritz reagierte. „Ja, da ist was“, sagte der Tierarzt. Schaute nochmal ins Mäulchen, aber das gefiel Moritz gar nicht. Der kleine Kerl musste also in Narkose gelegt werden. Bevor er einschlief, hat er die Maus und noch mehr rausgekotzt auf das frisch gewaschene Handtuch in seinem Korb. Beim letzten Besuch hat er ja unterwegs erst drauf gepinkelt und dann auch noch drauf gekackt – in seiner Not!

Eine Viertelstunde später war es soweit. Moritz lag schlapp auf dem Tisch und bekam ein Röhrchen zwischen die Seitenzähne gesteckt – um das Mäulchen zu aufzusperren. Nun wurde tiefer untersucht. Nichts zu entdecken! Aber da musste was sein, da war sich der Fachmann absolut sicher. Er suchte mit dem einen Instrument, er suchte mit einem anderen Instrument. Nichts! OP-Schwester Renate hielt nun Moritz‘ Köpfchen an den Seiten fest, damit der Tierarzt tiefer gehen konnte und mit einem speziellen Instrument den „weichen“ Gaumen nach vorn ziehen konnte. Mittlerweile war schon kurz nach Mitternacht … Dann holte er einen schleimig-blutigen Faden aus dem Rachen. Aha, die Lokalität des Ãœbels schien geortet. Er leuchtete mit seiner Kopflampe weiter in den Rachen hinein, zog das Zünglein heraus, holte ein anderes Instrument und dann sagte er: „Ich sehe was, könnte ein Weizenkorn oder Ähnliches sein.“ Er fummelte weiter, kam aber nicht an das „Weizenkorn“ ran, weil es so ungünstig plaziert war – zwischen Gaumen und Nase. Der Operateur fummelte und fummelte, und dann plötzlich hatte er was in der Zange: das grüne Ding da! Ich hab ein Streichholz daneben gelegt, damit man eine Ahnung von der Größe hat …

Bein

Wer nun meint, das sei ein Stück Gras oder sonstiges Gewächs, der irrt sich. Denn ich betrachtete das grüne Ding näher und erkannte sofort: das ist das Beinchen eines Insekts – mit ganz üblen Widerhaken, die sich in Moritz‘ Gaumenweichteilen eingehakt hatten! Der Tierarzt und ich kamen schnell zu demselben Ergebnis: das ist vermutlich das Beinchen einer Heuschrecke. Während Moritz im Körbchen lag und wir warteten, dass er wieder aufwacht, schauten wir im Internet nach. Tatsächlich, eindeutig eines der Vorderbeine einer Heuschrecke.

Wenn man überlegt, wie groß das Bein ist und sich überlegt, dass so ein Fremdkörper in Relation in unserem Rachen so um die 5 Zentimeter wäre, kann man sich vorstellen, wie mein Schwarzbär sich in den letzten Tagen gefühlt hat. Ich vermute sogar, dass er das Problem bereits seit zwei Wochen hat, denn damals hat ja seine Nase getropft. Ich sehe da einen deutlichen Zusammenhang. Und weil er damals auch diese Verletzung am Bein hatte, musste er ja neun Tage lang die Wohnung hüten, lag dabei aber immer unterm Bett, so dass ich ihn nicht aus der Nähe betrachten konnte und mir sein Verhalten auch nicht auffiel.

Ich habe mich bei Herrn Rattenhuber nochmals ausdrücklich entschuldigt, und der meinte, es sei sehr gut gewesen, dass ich den Patienten gebracht habe. Denn mit so einem Fremdkörper im Rachen eine weitere Nacht verbringen zu müssen, stelle er sich überhaupt nicht lustig vor. Und das war es für Moritz die letzten Tage und Wochen bestimmt auch nicht. Das arme Kerlchen!

Auf alle Fälle bin ich sehr froh, dass ich in der Lage bin, das Gras wachsen und die Flöhe husten zu hören. Das hat meinen Katzen schon so manchen Kummer erspart, denn ich achte auf Winzigkeiten im Verhalten. Ich kenne meine Leisetreter so gut, dass ich genau weiß, wie sie sich „normal“ verhalten und wie, wenn was nicht stimmt. Und gestern Abend hat eindeutig etwas nicht gestimmt.

Nach dem Aufwachen habe ich den kleinen Kerl dann aus dem Korb geholt und auf meinen Bauch gelegt. Dort lag er ramdösig die ganze Nacht. Und den Vormittag haben wir nebeneinander schlafend auf dem Sofa verbracht, denn nicht nur er war müde!

Bis vor einer Stunde hat er geschlafen, dann lag er noch ein bisschen in Lilis Karton herum, und jetzt strawanzt er wieder – ohne Heuschreckenbein im Rachen!

Vielen Dank, lieber Herr Rattenhuber, für Ihren mitternächtlichen Einsatz gestern, und ein Danke auch an Ihre Frau, die für solche Situationen ganz offensichtlich Verständnis hat. Hat nicht jeder …

21 Kommentare

  1. oh je , der arme Kerl, stell Dir mal vor Du mußt mit einer Fischgräte o.ä. die ganze Zeit rumlaufen und sogar noch „futtern“… Gut das Du in der Beziehung wirklich einen „siebten Sinn“ hast. Ich wünsche dem Patienten gute Besserung und ich denke, er fühlt sich jetzt wieder richtig gut. Danke auch an den tollen Tierarzt, den würde ich mir „warm halten“ ;-))
    Ganz liebe Grüße zu Euch an den See von Christiane & Co.

    • Ja, liebe Christiane, der Vergleich mit der Fischgräte im Hals ist sehr gut. Stellen wir uns vor, zwei Wochen lang mit einer halben Fischgräte einer Forelle im Hals rumlaufen zu müssen. Horror!
      Jetzt strawanzt er wieder, der kleine Patient.
      Liebe Grüße
      Renate

      • ich wünsche Dir und den Pelzchen einen schönen, unfallfreien Abend und für alle, alles Gute. Wir wollen morgen mal eine Dampfzugfahrt machen. Hat Günter sich gewünscht und ich bin gespannt und werde erzählen.
        Liebe Grüße
        Christiane.

  2. Liebe Renate,

    oje, das arme Katerchen. Was stellt er denn nur ständig an der kleine Dauerpatient…

    Aber auch hier bestätigt sich meine Theorie: es muss an der Fellfarbe liegen. 🙂 Vor 1,5 Wochen hatte mein schwarzer Kater einen langen Grashalm im Rachen stecken. Er hat genau so wie Moritz immer wieder das Köpfchen nach vorn gereckt und stark geschluckt. Außerdem hat er ab und zu gehustet und erbrochen und war total schlapp und müde. Nach der Behandlung in der Tierklinik (es war Sonntag) ging es ihm deutlich besser. Allerdings war er in den letzten 1,5 Wochen heißer. Der Grashalm hatte den Rachenraum gereizt und dadurch entzündet.

    Ich wünsche Moritz eine gute Besserung. So ein blödes Heuschreckenbein ist sicherlich eine schmerzhafte Sache.

    Viele Grüße
    Steffi

  3. na arg was da los ist mit Deinen Katzen liebe Renate! Die halten Dich ja ganz schön auf Trab! Schön, dass alles gut ausgegangen ist …

  4. Deine Problemfellchen nu wieder! Dir kann es gar nie langweilig werden.
    Ãœbrigens: auch maga interessant und wichtig: dein Katzenbuch über Bauchgefühle und siebte Sinne!
    Na???

    Drücke die Däumchen und alle Pfötchen!

  5. Krankenschwester Renate hat richtig reagiert.
    Das arme Kerlchen, muss sehr unangenehm sein so ein grosses Heuschreckenbein im Hals stecken zu haben.
    Den Vormittag auf dem Sofa habt ihr verdient.
    Ich wünsche euch eine ruhigere Zeit und grüsse herzlich, Margrit

  6. ach ihr armen ihr kommt aber gar nicht zur ruhe, wünsche euch alles gute und entspannte kommende tage, liebe Grüße
    Camina

  7. Ich muss sagen, bei dir wird es echt nicht langweilig. Du bist ja voll auf mit deinen Lieblingen beschäftigt!!!
    Das Insektenbeinchen muss dem armen Moritz ganz schön zugesetzt haben. Und dann über diesen Zeitraum!!! Ein Glück, dass du so ein feines Gespür für deine Miezen hast.
    Du hast ja gleich richtig gehandelt und bist mit ihm zum Tierarzt. Ich finde es übrigens auch
    anerkennenswert, dass der Tierarzt um diese Zeit dem Moritz gleich geholfen hat!!! Alle Achtung auch, dass er so eine nette Frau hat!
    Nun geht es dem süßen Schwarzbär zum Glück ja endlich wieder gut und er kann ohne Schmerzen die Gegend unsicher machen.

    Liebe Grüße von
    Elke

  8. Ach Du ahnst es nicht: ein Heuschreckenbeinchen? Gott – und diese ekligen Widerhaken – Herrje, der arme Moritz. Bei Dir kehrt aber auch keine Ruhe ein. Oder?
    Hoffentlich geht es dem kleinen Racker jetzt besser!

    LG
    Malina!

  9. Danke für all Eure Kommentare. Vergangene Nacht hat Moritz eine kleine Stippvisite gemacht und lag für ein Viertelstündchen auf meinen Beinen. Danach tippelte er wieder von dannen. Werde gleich mal in den Garten gehen und nach ihm pfeifen … der olle Strawanzer!

  10. Ach Du meine Güte …. was alles passieren kann! Was für ein Glück, dass die Geschichte glimpflich abgelaufen ist, dank Deinem guten Riecher, Renate. Prima Tierarzt. Moritz und die Damen haben wirklich Glück mit ihrer Dosine …

  11. Ups Moritz, das war wahrlich nicht die richtige Mahlzeit. Unser Kater hatte vor langer Zeit auch mal so eine „Unpässlichkeit“. Was wars? Ein Stück Alufolie. Aber ist ja alles gut verlaufen, das freut mich. Müssen gleich wieder nach Weser TV, Livesendung steht an. Lieben Gruss vom Charley mit Sally, sowie einen Streichler für Lili.

  12. Ach du meine Güte, geht es bei dir aufregend zu und her. Das ist wirklich ein klasse Tierarzt, der hat sich euch zwei armen Wesen liebevoll und kompetent angenommen. Gut geht es Moritz wieder gut, und du Renate bekommst hoffentlich bald einmal eine längere Verschnaufpause!
    Liebe Grüsse
    Elfe

  13. […] Nun, wie dem auch sei … ich packte Moritz gestern also wieder in den verhassten Korb und fuhr damit in die Tierklinik, dieses Mal nach Dießen. Herrn Rattenhuber hatte ich darüber informiert, er fand, das sei eine gute Idee, zumal er mit Dr. Meier freundschaftlich verbunden ist. In der Tierklinik kamen wir sofort dran, und Dr. Meier ließ sich ausführlich schildern, was in den letzten Wochen so vorgefallen ist. Er hörte aufmerksam zu und hakte an genau der Stelle ein, die in der anderen Tierklinik auf taube Ohren gestoßen war: die Sache mit der leidigen Heuschrecke. […]

  14. Hallo👋🏻
    Also ich weiß ja nicht ob Kommentare hier gelesen werden aber ich schreib einfach mal… Ich wollte mich für diesen Artikel bedanken, der mir in den letzten zwei Tagen wirklich seeeehr weitergeholfen war. Da ich in Moritz’s verhalten meine Mietz wiedergesehen habe, konnten wir gleich reagieren und unseren Verdacht beim TA äußern!
    Fazit: Grashalm im Rachen steckengeblieben- konnte rechtzeitig entfernt werden 😅😅😅
    Vielen Dank und Liebe Grüße an Moritz ( und natürlich auch an die anderen Vierbeiner) und seine Besitzerin

  15. […] Zusammenhang nur an das Heuschreckenbein, das Moritz im Hals stecken hatte. Was für ein Drama! OP um Mitternacht … Natürlich spricht er auch mit mir. Und vorhin hat er gesagt: “Vergiss nicht, ich behalte […]

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