Über Susi hat Alain hier vor ungefähr einem Jahr schon geschrieben. Damals lebte die hübsche kleine Katze noch auf dem Land, mitten im Grünen.
Seit wenigen Wochen lebt Susi in der Großstadt. Warum? Hier die Antwort:
Susi muss umziehen
Die neuen Vermieter unserer Ferienwohnung auf dem Gestüt haben uns gekündigt. Wir wissen bis heute nicht, warum. Sicher, wir hätten uns dagegen wehren können, aber am Ende war es uns die Sache einfach nicht wert.
Also mussten wir nach sechs Monaten raus. Die neuen Besitzer hatten beschlossen, die alte Tenne neben unserer Wohnung abzureißen und stattdessen ein Haus nebst Ferienwohnungen zu bauen. Schon eine Woche nach der Kündigung fingen die ersten Arbeiten an: der riesige, majestätische Baum vor unserem Haus wurde abgesägt, um Platz zu machen für den zu erwartenden Verkehr von Baufahrzeugen.
Irgendwann in diesen teils sehr lauten Wochen ist uns die Tragweite unseres Auszugs bewusst geworden: Was wird eigentlich aus Susi? Mittlerweile wohnte sie drei Jahre bei uns, sie ist uns ans Herz gewachsen und wir konnten sie nicht einfach alleine zurücklassen: Es hätte keine Tenne mehr als Rückzug gegeben, und niemand hätte sich ernsthaft um sie gekümmert – die neuen Besitzer schon gar nicht. Und dann diese schrecklichen Bilder in unseren Köpfen: eine frierende und hungernde Susi, einsam, ganz ohne Bezugsperson, ohne Streicheleinheiten und ohne warme Wohnung, mit großen, ängstlichen, traurigen Augen in die Welt schauend – und das als 19-jährige alte Dame. Nein, sie zurückzulassen, das hätten wir uns nie verzeihen können.
Susi musste also umziehen. In die Großstadt.
Nur: Wie sollte das gehen? Ihr Leben lang war sie grenzenlose Freiheit gewohnt, sie konnte, wann immer es ihr beliebte, über die weiten Koppeln streunen oder sich einfach nur auf dem Rasen vor unserer Wohnung genüsslich lang strecken. Sie einsperren? Für den Rest ihres Lebens? Sicher, 130 Quadratmeter sind nicht wenig für eine Stadtwohnung, aber gemessen an 17 Hektar? Sie aus dem Haus zu lassen, war zu keinem Zeitpunkt eine Option, allein schon wegen des Autoverkehrs. Sie weggeben? An wen? Im Vorort hatten die Schwiegereltern zwar einen Garten in einer verkehrsarmen Gegend, sie hatten aber auch eine 18-jährige, kautzige Katze, das würde nicht gut gehen. Bekannte, die 60 Kilometer entfernt auf dem Dorf wohnen, hatten ebenfalls angeboten, sich um Susi zu kümmern, aber wir kannten sie nicht so gut, wussten nicht, wie ernst das Angebot wirklich gemeint war, und irgendwie stimmte es auch nicht. Außerdem: Sie wegzugeben, hätte uns das Herz gebrochen. Das Opfer wäre einfach zu groß gewesen, und ich bekomme feuchte Augen, wenn ich nur darüber schreibe.
Nein, wir wollten Susi unbedingt behalten, sie musste also in die Statdwohnung. Auch wenn wir große Furcht davor hatten, ihr diese erhebliche Freiheitseinschränkung zuzumuten, war es doch die beste Lösung. Kurz bevor wir den ultimativen Schritt taten und aus unserer Ferienwohnung zogen, sagte eine Freundin, mit der ich das Thema einige Zeit vor der Reithalle diskutiert hatte, erhellenderweise: Auch Susi würde sich so entschieden. Diese Aussage hat mich sehr berührt und in meiner Entscheidung letztendlich bekräftigt. Die Sorgen um Susi hat sie mir dennoch nicht genommen, und ich gestehe, dass ich in den Monaten vor dem Auszug sehr angespannt und reizbar war. An alle, die diese Zeit mitmachen mussten: Ich bitte um Nachsicht und Vergebung.
Der Tag des Umzugs kam mit großen Schritten näher, und meine Anspannung wuchs gleichermaßen. Würde Susi unglücklich sein, so jäh aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen? Die zermürbende Frage wich keine Sekunde aus meinem Kopf. Aber es half nichts, und so kam der Moment des Abschieds.
Ich war wie gelähmt, als wir die Transportbox vorbereiteten, vor allem deshalb, weil Susi den ganzen, wunderschön sonnigen Tag auf dem Rasen herumtobte – ausgerechnet heute, ganz so, als hätte sie die anstehende Zäsur ihres Lebens erahnt, und ganz so, als würde sie die letzten Momente ihrer Freiheit auskosten wollen, wohlwissend, dass es die letzten sein würden. Für immer. Die Tränen flossen.
Wir packten sie in die Transportbox, und die Transportbox ins Auto. Beim Start des Motors fing sie an, erbärmlich zu miauen, sie war panisch und versuchte, das Gitter aufzukratzen, natürlich vergebens. Der Umzug fing nicht gut an, zumal die Autobahn gesperrt war und die Fahrt statt eineinhalb nunmehr über zwei Stunden dauern würde. Wir legten ein großes Handtuch über die Box, um sie zu beruhigen, und tatsächlich hörte sie nach einer Stunde auf, sich gegen die widrigen Umstände zu wehren: Sie war restlos erschöpft. Kurz nach 21 Uhr kamen wir zuhause an, schweißgebadet und genauso erschöpft wie Susi. Es war noch hell. Wir sperrten die Eingangstür auf, gingen in die Wohnung und öffneten die Box. Sie stieg vorsichtig heraus. Es war ein erhabener Moment.
Sie schlabberte das Wasser aus der Schüssel, die wir ihr hingestellt hatten, und fing an, behutsam die Wohnung zu erkunden. Weit kam sie allerdings nicht, nach ein paar Minuten legte sie sich auf das weiche Sofa im Wohnzimmer und schlief sofort ein. Der erste Tag war anstrengend, aber wir waren so erleichtert wie nie.
Am nächsten Morgen saß sie um sechs Uhr vorm Bett und weckte mich mit ihren leisen, gurrenden Lauten, ganz wie auf dem Gestüt. Ich stand auf. Sie ließ sich, in alter Manier, auf die Seite fallen, streckte sich und fing an zu schnurren. Das unausgesprochene Kommando hieß: viel streicheln, egal wo, egal wie, und ich führte es aus. Diese Routine hatte sie nicht vergessen, und sie genoss sichtlich die Streicheleinheiten und meine Nähe: ein gutes Zeichen, und ein guter Auftakt für den Tag.
Ich bereitete ihr Lieblingsfressen vor, sie fraß, putzte sich und wanderte von Zimmer zu Zimmer, die sie in der Nacht sicher schon inspiziert hatte. Sie hatte sich schon einige Lieblingsplätze auserkoren, darunter der rote Teppich im Esszimmer und eben das weiche Sofa im Wohnzimmer. Später kamen hinzu: der Wohnzimmerteppich, der Filzteppich im Schlafzimmer, die zwei südlichen Küchenstühle, das graue Sofa im Flur und der linke Stuhl auf dem Balkon. Beide Teppiche, die wir vom Gestüt mitgenommen hatten, weil wir dachten, der bekannte Geruch würde sie besänftigen, ignorierte sie völlig und tut es bis heute.
Außer in den ersten Tagen auf dem Balkon, als sie wehmütig den oberen, für sie unerreichbaren Rand des Katzennetzes anstarrte und herzzerreißend maunzte, wohlwissend, dass ihre Freiheit hier endet, hat sich Susi kein einziges Mal beklagt. Sie lebt in der Stadtwohnung, als hätte sie nie eine Koppel gesehen. Sie hat nicht das geringste Interesse, die Wohnung zu verlassen und ist wie immer freundlich, schmusig, anhänglich, einfühlsam, dankbar. Sie vertraut uns aus tiefstem Herzen. Es hat den Anschein, als hätte sie unsere Entscheidung, sie mit in die Stadt zu nehmen, nicht nur akzeptiert, sondern auch befürwortet. Als würde sie unsere Beweggründe und Gedankengänge nachvollziehen können. Als wüsste sie, dass wir nur das Allerbeste für sie wollen.
Irgendwo in der Ferne läuten Kirchenglocken. Bienen schwirren umher. Susi sitzt ganz friedlich auf dem Balkonstuhl, genießt die Sonne, lässt sich das warme Fell streicheln und schaut mich mit ihren großen, wunderschönen Augen eindringlich an, ganz so, als würde sie mir etwas sagen wollen. Aber es ist nicht nötig: Ich weiß auch ohne Worte, dass es ihr gut geht und sie in meiner Nähe glücklich ist. Sie schaut mich weiter an und fängt an, leise zu schnurren. Ich werde sie niemals verlassen.
Alain Blaes
Das ist ja eine wirklich berührende Geschichte um die hübsche Susi. Ich freue mich
für sie und ihre Zweibeiner, dass sie sich so schnell an das Leben in der Stadt und der neuen Wohnung gewöhnt hat. Ich wünsche ihr noch viele gesunde Jahre und alles
Gute!
Liebe Grüße von
Elke und Lea
Lieber Alain!
Wie berührend, dass Susi ihre Menschen hat, die sie mitgenommen haben. Egal wohin sie mit euch gegangen wäre. Sie hat die Liebe gespürt. da ist es egal, wo Katz lebt, sondern bei wem sie lebt und geliebt wird.
So war es bei unserem Fritzchen Floh auch, der uns in Dänemark in der Nähe vom Meer todkrank mit Flöhen und Läusen besiedelt zugelaufen war. Er reiste mit uns und unseren drei anderen Katzen in die Großstadt Berlin in eine 90 qm-Wohnung. Dort ließ er mich nie aus den Augen. Alle kamen in jedem Urlaub im Auto mit. Er wurde 16 Jahre alt